HOK Schreiben: Einflussnahme in offenen Publikationssystemen
Zwei Artikel bei Telepolis, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, werfen die Frage auf, wie beeinflussbar offene Publikationssysteme sind, die auf die Mitwirkung einer nicht näher spezifizierten "Gemeinschaft" setzen. Thomas Pany bezieht sich in "Fast-Food-Medien" auf einen Bericht des Project for Excellence in Journalism, das unter anderem zu folgendem Schluss kam:
Der Citizen-Media- und Blogger-Boom hat nach ihrer [der Studie] Ansicht eine Schattenseite, die bislang in dieser Deutlichkeit noch von niemandem herausgestellt wurde: Die offenen Kanäle geben auch Vertretern von "speziellen Interessen" die Möglichkeit, anonym oder unter einer anderen Identität Einfluss auszuüben.Dazu passt der Beitrag "Internet-Krieg der Editoren" von Rudolf Sturmberger. Er schildert den Fall der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, offensichtlich einem PR-Unternehmen der Arbeitgeberverbände in Deutschland, deren Eintrag in Wikipedia einen längeren Edit-War (also dauernde Rückgängigmachung von Änderungen) hinter sich hat.
Anhand dieses Beispiels wird verschiedenes deutlich. Offene Systeme wie Wikipedia sind nicht nur anfällig gegenüber unbedarften Laien, die sich aufgrund gleicher Editionsrechte mit ihrem Unwissen über das Fachwissen hinwegsetzen können, oder gegenüber übelwilligen Vandalen, die Fehler einschleusen. Sie bieten auch professionellen Interessenvertretern Möglichkeiten der Manipulation von Darstellungen. Dabei kann (wie das Beispiel zeigt) der neutrale Standpunkt sogar die Manipulationsversuche befördern, indem er der Verschleierung von Sachverhalten Vorschub leistet.
Abhilfe schafft hier nur die Schaffung von Transparenz: das Thematisieren der Schwachstelle kann Sensibilität des Lesers und der Leserin wecken und zu einem kritischeren Lesen anregen. Solches Vorgehen (das Schaffen von Transparenz) exemplifiziert die Dimension des "Redens und Reflektierens" bei der Historischen Online-Kompetenz.
Die Zusammenhänge mit den unethischen Autorschaften und den damit verbundenen unterschiedlichen Ansätzen (Königswegen), mit der Entstehung und Verteilung von Informationen in den vernetzten, digitalen Medien umzugehen.
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2 Kommentare:
Das INSM-Beispiel taugt aber nicht für diese Beweisführung - denn hier ist schlichtweg eine POV-kritische Fassung nach und nach durch eine (mehr oder weniger) NPOV-Fassung ersetzt worden.
Dass die eine "Seite", deren Darstellung etwas zurückgedrängt wurde ohne jeden weiteren Beleg eine bezahlte Manipulation des Gegners vermutet, mag menschlich verständlich sein - wirklich überzeugend ist es nicht.
Torsten
Hallo Torsten
nun, ich wollte gar keinen Beweis führen, sondern nur auf ein mögliches Problem hinweisen. Im konkreten Fall scheint eine gezielte Beeinflussung wohl eher unwahrscheinlich und die Wahrnehmung des "Verschleierns" nicht stark begründet. Ein Blick auf Versionsgeschichte und Diskussion wirft aber schon Fragen auf: eine Person, die gegenüber mehreren Personen an ihren Formulierungen einfach festhält und überdies fast den ganzen Tag in Wikipedia (und immer bei solchen "wirtschaftsfreundlichen" Themen) editiert und redigiert und wirklich nichts über sich preisgibt - kein Wunder, machen sich da einige Leute ihre Gedanken (was ja nicht unbedingt zu Verschwörungstheorien führen müsste).
Kurzum: ist wohl nicht so dramatisch, einfach normal finde ich es aber auch nicht.
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