12.2.06

Aus der Welt der Wikis: Wikipedia zählen

Es gibt schon eine Reihe von Studien, die sich die Wikipedia als Gegenstand vorgenommen haben, letzthin habe ich hier auf eine systemwissenschaftliche Studie hingewiesen. Die folgenden zeigen verschiedene Ansätze, Wikipedia zu untersuchen, die alle eines gemeinsam haben: sie zählen. Was und wie sie zählen, ist jedoch sehr unterschiedlich.

Vermessen
Jakob Voss nimmt sich die eindrücklichen Zahlen der Wikipedia vor und wertet sie nach verschiedenen Kriterien hin aus. Wieviele User schreiben wieviele Beiträge und wie oft edieren sie bereits bestehende Einträge? Lassen sich Zusammenhänge erkennen oder gar Typologien formulieren? Die Ergebnisse entsprechen in groben Zügen den Erwartungen: es gibt viele Benuzter/innen, die wenig, und wenige, die viel schreiben. Interessant ist die Beobachtung, wie sich die Beziehung zwischen Anzahl Beitragender und Beiträge jeweils genau verhält und auf dei Gesamtheit verteilt. Auch sind zwischen den Sprachen Unterschiede auszumachen. Hingegen lässt dieser Blick keine Unterschiede bei der Erstellung und Bearbeitung von Artikeln in verschiedenen Fachbereichen feststellen.

Vergleichen
Emigh und Herring verglichen ausgewählte Artikel in verschiedenen Enzyklopädien, zum Beispiel zu den Begriffen "Freund", "Pulitzer Prize" oder "Karl Marx". Sie wählten dazu Wikipedia, eine gedruckte (also herkömmliche) Enzyklopädie (Columbia Encyclopedia) und das Webprojekt everything2. Letzteres ist wie Wikipedia ein Versuch einer hypertextuellen Wissensbank, die jedoch anders funktioniert. Bei everything2 kann zwar alle registrierte mitglieder neue Artikel erstellen, doch nur die ursprünglichen Autor/innen dürfen ihre Artikel edieren. Die anderen Mitglieder bewerten die Artikel. Die Bewertungen werden beim Artikel sichtbar gemacht. Je besser die Artikel bewertet werden, desto mehr Bwertungsmöglichkeiten erhalten ihre Autor/innen.

Emigh und Herring stellen fest, dass sich die Artikel in der gedruckten Enyklopädie und in Wikipedia in vielen formalen Kriterien mehr gleichen, als die beiden enzyklopädischen Online-Projekte. Offenbar sind die Vorstellungen von einem "richtigen" Eintrag in eine Enzyklopädie stark geprägt von bestehenden (gedruckten) Vorbildern. Und es scheint, dass vor allem die aktiven Mitglieder bei Wikipedia die Einträge auch in diese Richtung umgestalten.

Demgegenüber enthalten die Einträge bei everything2 mehr persönliche Einschätzungen und präsentieren auch ungewöhnliche Sichtweisen.

Verfolgen
Bellomi und Bonato haben Wikipedia einer Netwerkanalyse unterzogen. Sie haben die Verknüpfungen zwischen den Wikipedia-Einträgen analysiert. Dabei nahmen sie verschiedene mathematisch-statistische Methoden zu Hilfe, die auch bei der Rangierung von Suchergebnis-Listen zum Einsatz kommen, etwa PageRank der Google-Erfinder Brin und Page. Sie gewichteten die Links anhand der Überlegung, dass ein Wikipedia-Eintrag besonders wichtig sei, wenn viele andere Einträge auf ihn verweisen. Dabei erhält ein Verweis wiederum mehr Gewicht, wenn er von einem Eintrag mit Gewicht stammt. Ein solcher Verweis wertet damit den Eintrag auf, zu dem er führt.

Damit wollten sie zeigen, wie Begriffe mittels Begriffen erklärt werden und welche Begriffe besonders wichtig sind. Sie kamen zum Schluss, dass vor allem regionale Bezeichnungen (Länder, Städte) und zeitliche Bezeichnungen (2. Weltkrieg, 11. September) besonders wichtig sind und hier (für die untersuchte englische Version der Wikipedia) eine Fokussierung auf die westliche Welt festzustellen ist.

Interessanterweise gelangten sie mit zwei unterschiedlichen Messmethoden zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Die Google zugrundeliegende PageRank-Methode zeigte eine hohe Gewichtung von religiös-christlichen Begrifflichkeiten. Was das bedeutet und wie es erklärt werden könnte, erläutern Bellomi und Bonato leider nicht.

Literatur
Übersicht: Aus der Welt der Wikis